Projekt Nr. 20
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Der Zeichnungsgenerator – Gespräch: Bjørn Melhus / Hannes Kater
Gespräch am 14.11.2001, Berlin
Teil  1  2  3  4  5  6
Material:
- Ausstellungskonzept
- Rundgang durch die Ausstellung
- Die Räume von Hannes Kater
Gespräche zur Ausstellung:
Bjørn Melhus (2. Künstler)
Diana Dietz (Assistenz)
Silke Boerma (Kuratorin)
Armin Chozinski (Helfer)
Gabriele Mackert (Autorin)
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Vorspiel 14.11.2001, pünktlich und wie verabredet um 10:00 Uhr klingelt Hannes Kater bei Bjørn Melhus. Nach einiger Zeit öffnet Bjørn verschlafen die Tür; Begrüßung; Bjørn berichtet von einem Screening (Preview) einer neuen Arbeit von ihm in der NgbK den Abend vorher.

In Stichworten:
Bjørn: Das einzige, was ich gegessen hatte, waren zwei Laugenstangen / drei Nächte nicht geschlafen und dann angefangen zu saufen.
Hannes (leises Lachen): Hat’s Spaß gemacht?
Bjørn: [...] und sind dann in’s Café Burger gegangen; und da habe ich mich mit irgendjemanden unterhalten. Ich weiß nicht, ob du das kennst, dass man spricht und dass man wegtritt - irgendwie ? und plötzlich merkt man zwischendrin, dass man so Risse hatte?
Hannes: Eingeschlafen wegen Müdigkeit oder wegen Alkohol?
Bjørn: Wegen Müdigkeit.
Hannes: Ja, das kenne ich auch.
Bjørn: Du erzählst und redest was und du vergisst, während du redest, über was du eigentlich redest.
Hannes: Hatte ich auch mal; bei einer Ausstellungseröffnung.
Bjørn: Horror!
Hannes: Das war krank!
Bjørn: Horror. Da habe ich gesagt: Ne, tut mir leid, ich muss gehen. Bin noch mal kurz auf’s Klo gegangen /ich habe komplette Orientierung verloren... und bin dann in die Kneipe zurück... also vom Klo, J. war noch mit dabei und mit J. bin ich eigentlich dahin, wir hatten da jemanden getroffen / aber die standen an der Bar und das hatte ich auch schon vergessen / ich dachte, die standen ganz woanders und ich bin dann irgendwie durch den Laden gegangen und habe überall geguckt und...
Hannes (leises Lachen): ...
Bjørn: ... alle Leute angeguckt und ob sie das sind / sag mal, sind die jetzt gegangen und haben mich hier stehen lassen / und dann kam J.: ach, da sind sie ja wieder / ich bin nach Hause gegangen / ich weiß nicht mehr, wie ich den Weg... / ich habe das vergessen...


Brötchen Bjørn geht Brötchen holen. Nachdem er zurück ist, nehmen Bjørn und Hannes das Gespräch wieder auf...


Die Ausstellung war
natürlich "
PRIME-
TIME / Der Zeich-
nungsgenerator
",
Kunstverein Han-
nover, 23.06. bis
19.08.2001
Einstieg Bjørn: Ich habe das nicht so genau verstanden mit dem Gespräch... Hauptsächlich willst du über die Ausstellung* reden?
Hannes: Ja. (lange Pause)
Bjørn: Hm?
Hannes: Wie genau weiß ich auch nicht. Deshalb habe ich als Einstieg zwei Sachen mitgebracht, zwei kurze Texte, jeweils nur zwei Sätze:
"Im Jahr 1666 ziehen überall in der christlichen Welt Pilgerscharen der Apokalypse entgegen, dem großen Strafgericht, was ihrer Meinung nach hereinbrechen wird. Und die begründen das damit, dass dies das einzige Jahr ist, in dem jede Ziffer, die das lateinische Zahlensystem kennt, einmal enthalten ist." Also: MDCLXVI, diese 666, die Zahl des Teufels, vielleicht kommt das ja auch daher? Eben ohne das M? Und die Begründung ist dann: die Geschichte hat sich solcherart zahlenmystisch vollendet, sie noch fortzusetzen wäre Wiederholung.
Bjørn: Hm?
Hannes: So ein Denken finde ich unheimlich spannend. Ein Mensch aus dieser Zeit... wenn der jetzt eine Wiederholung im Fernsehen sehen würde – ginge für den die Welt unter? Na ja, nicht ganz? Die dachten so auf einen Endpunkt hin.
Bjørn: Hm?
Hannes: Also, wenn wir das Jahr 123456789 hätten, irgendwann mal? Und dann sagen: jetzt hört es auf, weil jetzt müsste... ?
Bjørn: Hm? Die Fortsetzung eines Abgeschlossenen?
Hannes: Eines vermeintlich abgeschlossenen...
Bjørn: ...das Denken, soll irgendwo schlüssig hinführen?
Hannes: Das ist ein mögliches Denkmodell eine Wiederholung wäre dann etwas problematisches, man müsste dabei zu viel Abstriche machen... besser also, die Welt ginge unter.
Bjørn: Als das sich etwas wiederholen würde…
Hannes: Ja. Und es gibt da die Vorstellung eines sinnvollen Endes. Und sei es noch so schrecklich.
Bjørn: Und das ist so selbstverständlich?
Hannes: Nun: das war jetzt erst das eine Zitat... Das andere bezieht sich dann auf den 11.9.: "Mit ihrem Schweigen zwingen die Terroristen ihre Opfer, die Botschaft der Gewalt und die Koordinaten der Erpressung selbst zu entziffern. Sie zwingen uns, sich in sie hineinzuversetzen und ihnen damit, wenn auch nur imaginär, Eintritt in unser eigenes Bewusstsein zu gewähren – darin besteht der Zynismus dieses tautologischen Terrors."
Der Zynismus des tautologischen Terrors... das gefällt mir... das auch auf die Terroristen anzuwenden. Tautologie hat für mich sehr viel mit Wiederholung zu tun... es gibt ja tautologische Strategien in der Kunst, Andy Warhol zum Beispiel, Pop Art.
Bjørn: Hm? Vor allen Dingen hat es auch was mit Kapitalismus zu tun.
Hannes: Ja klar...
Bjørn: Die Produktvermarktung kann nur über Wiederholung funktionieren. Werbung.
Hannes: Penetrieren...
Bjørn: ?
Hannes: Die Werber nennen das penetrieren... wenn Konsumenten mit Werbung konfrontiert werden...
Bjørn: Ach so?
Hannes: Das ist bei denen ein gebräuchlicher Begriff.
   Mit den zwei Zitaten wollte ich ein gewisses Spektrum öffnen: also Zahlen, Mystik und das Ende... und auf der anderen Seite der Zynismus des tautologischen Terrors... ausgerechnet den Islamisten wird das jetzt vorgeworfen, eine eigentlich hochkapitalistische Strategie (lacht) anzuwenden. Letztendlich geht es natürlich ums Erzählen... Und wo ist die Information?

Ist das jetzt ein bißchen abstrakt?
(Pause... Nahrungsaufnahme)


Bjørn hatte zu
der Zeit ein Sti-
pendium in NYC.
Was ist eigentlich
passiert?
Hannes: Also: was ist da in Hannover passiert. Bei dir, bei mir? Haben wir da zusammen was gemacht... irgendwas zwischen Erschöpfung und Planung, Zufall und sich Fügen, nachdenken und passieren lassen? ...
Bjørn: ... ich verfluche immer wieder das Timing, dass ich gerade eigentlich in New York bin*, also ich finde es schön in New York zu sein... also gerade im Moment ist es natürlich nicht so schön... ein Jahr später... wäre es besser gewesen, vor Ort zu sein, in Hannover zu sein? Nicht da anzurauschen und da was zu machen? Vor allem: hinterher. Sich noch mal mit der Ausstellung auseinandersetzen zu können. Ich hatte ein ganz beschissenes Gefühl, als ich wieder nach New York geflogen bin... weil: das, was da entstanden ist, war plötzlich abgeschnitten, deswegen war ich in der Nacht noch so lange dort, habe da die Aufnahmen gemacht (+ war am letzten Abend in Hannover viel zu spät zu einem Essen mit allen Beteiligten der Ausstellung gekommen, weil er in der Ausstellung bis fast 24:00 Uhr gefilmt hatte)... es war der Versuch, von meinem Teil so viel wie möglich mitzunehmen, haben zu können... ich hätte gerne einen Tag gehabt, oder zwei, um einfach mal nur in der Ausstellung zu sitzen. Du hast das gemacht, oder?
Hannes: Ich habe das gemacht, ja. Aber auch zu wenig. (lacht) Es hat immer noch nicht gereicht. Ich fühlte mich ja schon beim Aufbau genervt, da hat mir die Aufbauzeit ja schon nicht gereicht. Ich hatte vorher schon behauptet, die Zeit reicht nicht. Wenn man mit so einer Behauptung reingeht... oder so einer Enttäuschung ... das man eigentlich mehr Zeit haben wollte und man hat sie nicht bekommen... ich war ja schon eingestimmt (lacht) und habe das auch nicht mehr auflösen können.
Bjørn: Ja. Wenn man so eine Sache gemeinsam macht... auch im Nachhinein, die Wirkung... ich habe ja nur den einen Tag danach gehabt, wo ich versucht habe, mich auf das Ganze einzulassen... vor allen auch auf deinen Teil... aber es war mir noch viel zu wenig... das Ganze ist das, was die Erfahrung ist, auch wenn man in Ausstellungen anderer reingeht, also jetzt vom Eindruck her, also dass man durchgeht und das Gesamte... so funktioniert. Aber ich hätte gerne nochmal mehr, also einfach darüber hinaus, diese nächste Stufe gemacht, in der Auseinandersetzung.
Hannes: Inwieweit war das eigentlich ein gemeinsames Projekt?
   Es gab schon Momente des gemeinsamen Arbeitens... zum Beispiel bei der Konzeption der Raumfolge, und auf der anderen Seite: mir ist während des Aufbaus aufgefallen, dass nur noch so die Rückmeldung kam – ich weiß gar nicht, ob jetzt von dir oder von deiner Assistentin – "ist doch schön, hör doch auf! Ist doch fertig, was willst du eigentlich."
Bjørn: Das kann sein, dass ich das gesagt habe, jaja.
Hannes: Und irgendwie war das für mich total irreal.
Bjørn: Ja, weil ich einfach das Gefühl hatte, du... also du hattest auch so einen unzufriedenen Eindruck auf mich ausgestrahlt...
Hannes: Ich war ja auch unzufrieden!
Bjørn: Und ich dachte, meine Güte, das ist klasse, was der da macht, wo will er denn hin? Oder: was ist seine Unzufriedenheit.
Hannes: Das Wohinwollen, dass das sich nicht eingelöst hat, in der Form, wie ich das gerne wollte.
Bjørn: Es hat sich nicht eingelöst?
Hannes: Mm.


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